Australien


Monika Lorenz mit Blätterhaufen

Ende Oktober 2019 wurde mein langgehegter Traum wahr, eine Reise ins Land des Eukalyptus, nach Australien. Das Wichtigste im Gepäck: ein großer Topf und Unmengen von weißem Stoff. Es gab nur 3 im Voraus geplante Fixpunkte, den Workshop mit Irit Dulman gleich zu Beginn, meinen Wunsch,  bei Beautiful Silks, einem Stoffgeschäft mit Studio in der Nähe der Great Ocean Road, einige Tage zu verbringen und den Tag des Abflugs nach Tasmanien.  Alles andere wollte ich auf mich zukommen lassen.

  

Beim ersten Spaziergang durch die Straßen von Sydney war ich überwältigt vom Duft des blühende Jasmins, vom Gezwitscher der mir unbekannten Vögel und überall Eukalyptus-bäume - Energie und Tatendrang fluteten mich, der Jetlag war vergessen. Meine nächste Station war Canberra, gleich am Abend nach dem Besuch im Botanischen Garten rollte ich im Hotel die ersten Eukalyptusblätter mit meinem Schal zu einem Bündel. Der Baum dessen Samenstände auf Wolle zweifarbige Prints geben, wächst an der Bushaltestelle zum Botanischen Garten.

 

Von Canberra quert der King Highway die Southern Tablelands, Weideland und offene Eukalyptuswälder. Zur Küste hin verändert sich die Vegetation, wird dichter, undurch-dringbar mit verschiedensten Farnen, Banksien, Akazien und Eukalyptus so weit das Auge reicht, bevor sich die Straße auf dem steilen und kurvigen Abschnitt am Clyde Mountain nach unten schlängelt. Ich war völlig überwältigt und voller Freude hier zu sein.


Wendy Hartman, die Organisatorin des Kurses, holte mich in Batemans Bay mit ihrem Auto voller Blätter und Zweige ab. Mit den Worten meines Sohnes im Ohr stieg ich ins Auto „ sieh immer ganz genau hin, wenn du irgendeine Pflanze berührst, Vorsicht vor den Spinnen!!!!“. Unser Weg nach Kiola führte auf dem Prinzes Highway zum ANU Coastal Campus.

 

Der Ecoprint Workshop mit Irit Dulman aus Israel war ein unvergessliches Erlebnis. 7 Tage erforschte ich die wunderbare Welt der Blätter, Pflanzen und Blüten. Wir druckten die Natur Australiens auf unsere Stoffe, zogen gemeinsam los um neue Pflanzen zu sammeln, immer auf der Suche nach denjenigen, die besonders gute Drucke geben, wie „Stinky Roger“, ein unscheinbares Unkraut am Wegesrand. Halfen uns gegenseitig beim Rollen der Bündel, erwarteten ungeduldig den Ruf der Hüterin des Riesentopfes Ludmila Maddalena „bundels out“, um mit immer wieder aufs Neue mit Staunen und Begeisterung die einzelnen Stoffe auszuwickeln.

 

Am Nachmittag des letzten Kurstages betrachteten wir gerade gemeinsam die entstandenen Stoffe, als uns der Ranger aufforderte, das Gelände schnellstmöglich zu verlassen. Für den nächsten Tag wurden Temperaturen über 30° C und starke Winde erwartet. Sollte irgendwo ein Feuer ausbrechen, würde es schnell ausßer Kontrolle geraten können. Noch nie vorher hatte ich so eine Situation erlebt, plötzlich war ich mittendrin im "Black Summer", der Australischen Buschfeuer Saison 2019/2020 und fühlte diese Bedrohung hautnah.

 

Hunderte verschiedene Brände, vor allem im Südosten Australiens, die zum Teil über Wochen unkontrollierbar wüteten, 34 Menschen starben. Über 186.000 qkm Land wurde verbrannt, mehr als 3 Billionen Tiere, eine unvorstellbare Katastrophe. Wälder und Gebiete, die ich mit unglaublichem Staunen über die Schönheit der Natur kurz vorher durchquert hatte, wurden zerstört. Wie durch ein Wunder blieb das Gelände des ANU Coastal Campus in Kiola verschont.

 

Das alles wusste ich noch nicht, als ich mich zusammen mit Jane Frost durch die weitläufigen Eukalyptuswälder und entlang der atemberaubenden Strände der Sapphire Coast nach Tuross Heads aufmachte. Einige Tage war ich ihr Gast, sie zeigte mir die unberührte Schönheit dieser Gegend, bevor ich nach Margaret River in Westaustralien zum letzten Workshop weiterzog.

 

Auch hier trafen sich Frauen mit immensem Pflanzenwissen und wir entdeckten die Magie von Algen auf Stoff. Gemeinsam mit Irit und Ludmila verbrachte ich die letzten Tage vor ihrer Abreise in Sydney. Anne Foy zeigte uns ihre Stadt, Omila Bir öffnete ihr Stofflager mit wunderbaren Kostbarkeiten aus Indien für uns. Ich setzte mich in den Bus nach Süden, verbrachte kreative Tage mit Sue Barford in Potatoe Point und plante mit der App „Fires near me“ meine Weiterreise. Die Feuer kamen immer näher, es war nicht sicher, ob ich meine Reise wie geplant über Eden nach Melbourne fortsetzen konnte. Ich kam noch durch, aber über Weihnachten konnten die Menschen in Lakes Entrance nur noch vom Wasser aus evakuiert werden.

 

Im Cottage und Studio von Beautiful Silks in Allansford füllte ich Marion Gorr’s Riesentopf mit unzähligen Bündeln. „silky merino“ aus ihrem Laden und die unzähligen verschieden Eukalyptussorten aus ihrem Garten, ich war im 7. Himmel. Mit nach Eukalyptus duftenden Stoffen gefüllt, platzten Koffer, Rucksack und Taschen fast aus allen Nähten auf meinem Rückweg nach Melbourne.

 

Tasmanien, die größte Insel Australiens am Ende der Welt, wilde, ungezähmte Schönheit, tropische Eukalyptus- und Regenwälder, weite Grassteppen, faszinierende Bergwelt, endlose Sandstrände und Beuteltiere. Ich verbrachte die ersten Tage im Freycinet National Park, wanderte, genoß tasmanischen Wein und Seafood. Bei den Fahrten immer den Straßenrand im Blick, Ausschau haltend nach Eukalyptus Cordata, diese Sorte gibt besonders spektakuläre Prints. Ich werde die Standtorte dieser ganz besonderen Bäume nie vergessen!  (Einer steht gleich links, wenn man von Süden nach Bicheno fährt, kurz hinter dem Ortsschild. Inzwischen bin ich stolze Besitzerin von 4 kleinen Cordata, sie verbringen die frostigen Zeit in Niederbayern in meinem Wintergarten) An den Stränden fand ich unterschiedlichste Algen und rollte ich am Boden im Bad meine Bündel.

 

Ein besonderes Erlebnis war die vietägige Wanderung in der Bay of Fires. Wilde Küste, weiße Sandstrände, die mit leutend orangefarbenen Flechten bedeckten Felsen, wie viele verschiedenen Türkisschattierungen kann kristallklares Wasser eigentlich haben? Einfach nur laufen, schauen, staunen, die Gedanken schweifen lassen, diese besondere Kraft und den Zauber dieses einzigartigen Ortes genießen.

 

Den Jahreswechsel verbrachte ich im Nordwesten der Insel, in Stanley,  eine kleine, gemütliche Stadt, Häuser im Kolonialstil, geschützt im Schatten einer 143 m hohen erstarrten Magmakammer liegend, genannt „The Nut“. Morgens und Abends hopsen Wallabies und Pademelons (kleine Beuteltiere) durch die Straßen. Am Strand eine Besucherplattform, um nachts die kleinen Pinguine beobachten zu können, die zu dieser Jahreszeit an den Strand kommen, um ihre Jungen zu füttern, die den ganzen Tag alleine in Bruthöhlen auf ihre Pinguineltern warten.

 

Bevor ich ins Stadtleben von Hobart eintauchte, verbrachte ich ruhige Tage in einem Cottage mit Blick auf Bruny Island, oberhalb von Gardners Bay, umgeben von unberührter Natur mit uralten Eukalyptuswäldern, riesigen Baumfarnen und den hier lebenden Wildtieren. Ich streifte durch die Wälder und konnte mich nicht satt sehen an diesem besonderen Fleckchen Erde.

 

Den Aufenthalt in Hobart wollte ich nutzen, um meinen in den letzten Wochen angesammelten Eukalyptusvorrat zu verarbeiten. Aber mein Alutopf ließ sich auf dem modernen Induktionsfeld nicht erhitzten – der Supergau. Schlussendlich schob ich den Topf in den Backofen. Meine Stoffe wurden traumhaft schön.

  

10 Wochen sind eine lange Zeit, die Möglichkeit neue Menschen kennen zu lernen, fremde Orte zu entdecken, mit den völlig unbekannten Pflanzen zu arbeiten, aber dennoch viel zu kurz. Es gibt noch so viel zu entdecken, so viel zu bestaunen, so viele neue Erfahrungen zu machen. Ich habe hunderte Fotos gemacht, die mich für meine Arbeit immer neu inspirieren, die es mir ermöglichen, in meinen Gedanken auf die Reise zu gehen und neue Ideen zu entwickeln.

 

Ende Februar 2020 begannen die Eukalyptusbäume in der Nähe von Potatoe Point nach den verheerenden Feuern mit dem neuen Austrieb, das Leben kehrte zurück.